Qualitätsoffensive Ganztag

OGS on Tour: Lernreise nach Bremen

10.-11. September 2019

Blick über den Tellerrand

Am 10. September 2019 reisten wir mit 18 Teilnehmenden nach Bremen. Für den nächsten Tag standen zwei Schulbesuche an: Ein Teil der Gruppe hospitierte an der Ganztagsgrundschule am Buntentorsteinweg, der andere Teil besuchte die Kinderschule. Unsere Reisegruppe war bunt gemischt: Mit dabei waren pädagogische Leitungen und Fachkräfte, Schulleitungen, Schulsozialarbeiterinnen sowie Lehrkräfte aus Kölner, Bonner und Rhein-Erfter Schulen, die sich am ersten gemeinsamen Abend angeregt austauschen: Eine willkommene Auszeit vom turbulenten Schuljahresanfang!

Ganztagsgrundschule am Buntentorsteinweg

In der Grundschule am Buntentorsteinweg wurden wir freundlich empfangen. Schulleiterin Monika Triba begrüßte uns und gab einen einführenden Überblick über die Schule. Die Grundschule am Buntentorsteinweg ist eine gebundene Ganztagsschule in einem – wie sollte es bei dem Namen anders sein – sehr bunt gemischten Stadtteil. Die Arbeit im multiprofessionellen Team ist hier grundlegend verankert: Lehrkräfte (L), sozialpädagogische Fachkräfte (SpF), Sonderpädagog/innen und Inklusionsassistenten sind als Team den Lerngruppen zugeordnet. Lernzeiten und Pausen wechseln sich über den ganzen Tag ab und werden mindestens einmal am Tag gemeinsam von sozialpädagogischen Fachkräften und Lehrkräften gestaltet. Die Schule arbeitet außerdem jahrgangsübergreifend; jeweils die ersten und zweiten sowie die dritten und vierten Klassen sind zu einer Lerngruppe zusammengefasst. Zusätzlich bilden pro Etage zwei Lerngruppen eine „Etagenfamilie“ und sind auch räumlich miteinander verbunden. Auf diese Weise wird die Zusammenarbeit und die gegenseitige Entlastung noch einmal verstärkt. Auch die Leitung der Schule ist im Team organisiert: So können Aufgaben aufgeteilt und Verantwortung auf mehrere Schultern verteilt werden.

Ein weiterer Kern der Schule ist die Verankerung im Stadtteil. Es gibt zahlreiche Kooperationen, beispielsweise mit Sportvereinen, Musikschulen oder dem Theater. Mit diesen externen Partnern werden viele Angebote in der Schule umgesetzt. Auch die Zusammenarbeit mit mehreren Kindertagesstätten in der Nachbarschaft ist stark verankert. So wurden beispielsweise „Parcours“ entwickelt: Erst- & Zweitklässler/innen entwickeln zum Beispiel einen Mathe-Parcours mit verschiedenen Aufgaben für angehende Schulkinder, der in der Schule stattfindet. So können die Kindergartenkinder bereits etwas Schulluft schnuppern und ihre zukünftigen Mitschüler/innen kennenlernen. An der Grundschule am Buntentorsteinweg gibt es außerdem die Möglichkeit der flexiblen Einschulung: Erstklässler/innen können in den ersten Monaten ihren Kindergartenplatz behalten und manche Tage in der Schule, andere wiederum in der KiTa verbringen.

Anschließend führte uns Frau Triba durch die Arbeits- und Aufenthaltsräume für alle Mitarbeitenden. Diese sind für alle zugänglich und dienen als flexible Arbeitsplätze. Die kleinen Räume bieten durch eine geschickte Möblierung ausreichend Platz zum Arbeiten. Was uns direkt ins Auge fiel: Für alle gut sichtbar hängt dort ein Schulentwicklungsplaner. Es haben sich mehrere Arbeitsgruppen gebildet, die sich konkrete Ziele und Fristen setzen: Projektmanagement in der Schule!

Wir wurden von Herrn Uibel, der in der Schule unter anderem zuständig ist für das Thema Ganztag, in Tandems auf die verschiedenen Lerngruppen verteilt. In der Lernzeit fiel uns auf, dass eine sehr ruhige Arbeitsatmosphäre herrschte und die Kinder sehr entspannt wirkten. Die Erwachsenen bewegten sich viel im Raum und wurden durch die Jahrgangsmischung entlastet; die meisten Fragen konnten durch andere Kinder beantwortet werden! Durch die Zusammenlegung der Räume ist außerdem viel Platz vorhanden.

Das Mittagessen wird zum Teil in den Räumen der Lerngruppen eingenommen. Es gibt außerdem eine Mensa, in der die Lerngruppen essen, die im Altbau untergebracht sind; hier wäre der Organisationsaufwand ansonsten kaum zu bewältigen. Nach dem gemeinsamen Mittagessen mit den Kindern kamen wir noch einmal für abschließende Fragen zusammen, bevor wir uns voller bunter Eindrücke zurück auf den Weg nach Köln machten.

Kinderschule

08:15 Uhr – Ankommen an der Kinderschule Bremen. Noch orientierungslos betraten wir mit acht Teilnehmerinnen, Rollkoffern und etwas abgehetzt den Schulhof. Vor der Schule auf einer weißen Bank mit einer Tasse Kaffee in der Hand saß Schulleiterin P. Schubert und lächelte uns entgegen. Das Bild spricht für sich.

An den großen Tischen in der Mensa bekamen wir eine Einführung in Organisationsstruktur und Tagesablauf an der Kinderschule. Priorität Nummer eins: Es wird stets vom Kind aus gedacht. Multiprofessionelle Teamarbeit gilt auf allen Ebenen, auch in der Leitung der Schule liegt die Verantwortung für Entwicklung und Organisation der Schule beim „Kernteam“.

Ⓒ MJG

Lernen als ganzheitlicher Prozess

Die Kinderschule Bremen ist seit 1993 Freie Ganztagsgrundschule und als staatliche Modellschule im bremischen Schulsystem anerkannt. Die Webseite der Schule bietet einen guten Überblick über die Geschichte der als Elterninitiative seit 1980 gegründeten Grundschule, über Leitbild und Werte der Schulgemeinschaft sowie Struktur und Tagesablauf. Das Einbeziehen der Eltern ist ausdrücklich fester Bestandteil des pädagogischen Konzeptes. Eltern und Mitarbeitende organisieren sich in Arbeitsgruppen, alle Eltern sind zwei bis drei Mal im Jahr verantwortlich für das Mittagessen und die Reinigung der Stammgruppenräume und Werkstätten. Kernpunkte des pädagogischen Konzeptes sind altersgemischte Lerngruppen und Unterricht in Angebotsform. In der Verknüpfung von schulischen- und Betreuungsangeboten ist, nach einem reformpädagogischen Ansatz, die Projektarbeit wichtigstes Element des Lernens. Bildung wird nicht als Fähigkeit der Wiedergabe von Erlerntem verstanden, sondern als ganzheitlicher Prozess.

Ⓒ MJG

Differenzierte Lernniveaus

Nur 100 Kinder im Grundschulalter besuchen die Kinderschule, ca. 22 Schulplätze werden jedes Jahr vergeben. Inhaltlich arbeiten die Kinder auf unterschiedlichen Lernniveaus und in individuellen Lerngeschwindigkeiten in den fünf altersgemischten inklusiven Stammgruppen: Orange, Rot, Gelb, Blau und Grün. Max und Mattheus holten uns in der Mensa ab und führten uns durch die Werkstätten und Fachräume der Schule. Dann wurden wir in Tandems in die Stammgruppen entlassen, in denen gerade die Lernzeit stattfand und in denen wir bis zur Pause und der anschließenden Angebotszeit blieben. In allen Stammgruppen fiel uns die konzentrierte Ruhe auf und das kooperative und familiäre Miteinander der Kinder. Die Räume bieten neben Arbeitstischen (nicht jedes Kind hat einen personalisierten Arbeitsplatz) und Teppichen, Sitzkissen, etc. auch Rückzugsmöglichkeiten auf den Fluren. In allen Stammgruppen sind während der Lernzeit mindestens drei Mitarbeitende, d.h. eine Lehrkraft und eine pädagogische Fachkraft sowie ein „Inklusionshelfer“ oder Studierende, die die Kinder im multiprofessionellen Team begleiten.

Beteiligungsstrukturen

In der Besprechung, die immer um 10.50 Uhr in der Mensa stattfindet, wird gruppenübergreifend Organisatorisches geklärt. Dann teilen sich die Kinder auf die verschiedenen Angebote und Projekte auf. Bei Bedarf können auch persönliche Anliegen geklärt werden – an diesem Tag bat Antonia um mehr Rücksicht bei der Nutzung der Rollerparkplätze, die häufig von den Fahrrädern in Beschlag genommen werden.

Die Angebotszeit verbrachten wir bis zum gemeinsamen Mittagessen und der anschließenden Reflexion in den verschiedenen Projekten: Lese-Club, Zirkus, Tanzen, Töpfern oder freie Werkstatt. Die Kinder haben drei Wochen Zeit sich auf ein Projekt festzulegen und machen dieses dann bis zu den nächsten Ferien. An der Kinderschule werden keine Noten vergeben, die Kinder bekommen zum Halbjahr und Abschluss des Schuljahres einen Bericht, der die Inhalte des wahrgenommenen Angebotes dokumentiert. Teils sind diese Berichte stammgruppenbezogen, je nach Differenzierung der einzelnen Tätigkeiten werden auch individuelle Fertigkeiten und Lerninhalte dokumentiert. Die Kinder sammeln alle Berichte in einem Kischu-Buch: Einem Ordner, den sie zum Abschluss ihrer Kinderschulzeit erhalten.

Ⓒ Kinderschule Bremen

OGS on Tour

Ideen und Anregungen aus einem realen Schulalltag haben mehr Überzeugungskraft als jede Theorie, darum lädt die Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft die im Projekt beteiligten Bildungseinrichtungen regelmäßig ein, durch Lernreisen Inspirationen hinsichtlich verschiedener Qualitätskriterien ganztägiger Bildung zu sammeln. Ziel ist ein interregionaler Austausch mit „Good-Practice-Beispielen”, um Konzepte für den eigenen Standort zu entwickeln. Dass die Exkursionen OGS on Tour eine Bereicherung für den eigenen (Schulentwicklungs-) Prozess im Rahmen der „Qualitätsoffensive Ganztag“ darstellen, bestätigt uns eine Teilnehmerin:

„Auf diese Weise wird der Blick von außen eingenommen: Wie machen das „Andere“?. Die eigenen Entwicklungsschritte können einsortiert werden. An welchem Punkt steht die eigene Schule? Man gewinnt möglicherweise einen wohlwollenden Blick auf die bereits erreichten Ziele und das eigene Schulteam. Erfahrungen anderer Schulen können positiv genutzt werden oder dienen dem Ausschluss möglicher eigener Fehlentscheidungen. Ebenso ist der Austausch der Teilnehmenden während der Lernreise bzw. OGS-Akademie als großer Pluspunkt zu werten. Insbesondere durch das Zusammensein an zwei aufeinanderfolgenden Tagen ist man intensiver in den Austausch gekommen, weil man im Gespräch bleiben konnte.“