Montag Stiftung Urbane Räume

Geschichte

Rückblick auf über ein Jahrzehnt Stiftungsgeschichte

Zuhören, Machen, Lernen – die Geschichte der Montag Stiftung Urbane Räume

Wir wollen Chancen bauen, wo es zu wenige davon gibt – das gilt heute wie damals.

Seit unserer Gründung haben wir uns auf die Suche nach neuen Herausforderungen gemacht, haben uns programmatisch weiterentwickelt und die unterschiedlichsten Projekte realisiert, aber unsere Leitidee eines chancengerechten Zusammenlebens ist geblieben.

Wir verstehen Stadtteilentwicklung als einen Prozess, in dem wir immer wieder Neues ausprobieren und nie auslernen – so können wir auf unseren Erfahrungen aufbauen und ein tiefgehendes Verständnis für die Projekte entwickeln. Grundstein unserer Arbeit ist heute das Initialkapital-Prinzip: Wir investieren in leerstehende Gebäude oder Gelände und entwickeln Nutzungskonzepte, die das Gemeinwohl im Stadtteil verankern. Wie vor fünfzehn Jahren alles angefangen hat, lässt sich in diesem kurzen Abriss über die Geschichte der Montag Stiftung Urbane Räume nachlesen:

„Besseres Bauen für Menschen“. Mit diesem Anliegen gründete Carl Richard Montag 2005 das „SIM – Stiftungsinstitut Montag“. Aus seiner ursprünglichen Idee einer Bauherrenberatung wird bald mehr: Schon 2006 wird aus dem Stiftungsinstitut die Montag Stiftung Urbane Räume, die damals wie heute mit ihren Projekten der Leitfrage folgt, wie die gebaute Umwelt der Menschen gestaltet werden kann, damit ein chancengerechtes, selbstbestimmtes Zusammenleben möglich ist.

Seit der Gründung der Stiftung verantworteten Frauke Burgdorff (2005-2016), Oliver Brügge (2014-2017), Stefan Anspach (seit 2017) und Johanna Debik (seit April 2020) als Vorstände folgende Programme und Projekte der Stiftung.

 

Erster Themenschwerpunkt: Pädagogischer Architektur

Die Projekthistorie der Montag Stiftung Urbane Räume beginnt im Handlungsfeld Pädagogische Architektur: Seit über 10 Jahren setzen sich die Montag Stiftungen dafür ein, ein neues Denken und Handeln im Schulbau zu etablieren. Gemeinsam mit Expertinnen und Experten aus Pädagogik, Architektur, Planung und Verwaltung arbeiten wir an Grundlagen, Richtlinien und Konzepten – und daran, sie in der Praxis umzusetzen mit dem Ziel, eine hochwertige und zeitgemäße Bildung für alle zu unterstützen.

Angefangen hatte das Stiftungsengagement mit der Projektfamilie Lernräume, deren Anliegen es war mit verschiedenen Aktivitäten und Formaten Schulbauprozesse im Dialog zu gestalten und damit guten Schulbau an der Schnittstelle von Pädagogik, Architektur und Verwaltung zu planen und zu realisieren.

Mit der Unterstützung der Montag Stiftung Urbane Räume, der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft sowie der Stadt Köln, haben sich (seit 2006) insgesamt sieben Einrichtungen in städtischer und freier Trägerschaft in der Kölner Altstadt Nord zu einer Bildungslandschaft zusammengeschlossen, darunter vier Schulen, zwei Jugendeinrichtungen und eine Kindertageseinrichtung. Das Kooperationsprojekt zielt darauf, allen Menschen im Stadtteil Altstadt Nord ein lebensnahes, verantwortungsvolles und inklusives Lernen, Lehren und Leben zu ermöglichen und das pädagogische und bauliche Angebot zu verbessern. Die Montag Stiftungen haben als Brückenbauerinnen in diesem Projekt viele Erfahrungen gemacht, die die weitere Programmgestaltung beeinflusst haben: Die enge Kooperation mit kommunalen Verwaltungen, das gemeinsame, nicht immer einfache Ringen um Lösungen mit Pädagogen und Architektinnen, die Entwicklung von Veränderungen aus einem Bauanlass heraus inklusive einer „Phase Null“ und die Alternativlosigkeit von Partizipation und Teilhabe, haben ihr Handeln maßgeblich geprägt. In zahlreichen Publikationen, herausgegeben von den Montag Stiftungen, sind diese Erfahrungen und Ergebnisse nutzbar gemacht worden – von Grundlagen (Leitlinien für leistungsfähige Schulbauten in Deutschland, 3. Auflage 2017) über Handreichungen zu Planungs- und Beteiligungsprozessen (Schulen planen und bauen 2.0, 2. Auflage 2017) und Beispielen für die exemplarische Umsetzung zwischen Architektur, Städtebau und Pädagogik (Lernräume Aktuell 2006-2018).

Der Bedarf an Sanierungen und neuen Schulgebäuden ist unverändert hoch. Das Handlungsfeld Pädagogische Architektur wird heute von der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft weitergeführt. Seit 2013 engagiert sich die Montag Stiftung Urbane Räume verstärkt im Handlungsfeld Chancengerechte Stadtteilentwicklung. Das Projekt Bildungslandschaft Altstadt Nord hat sie in baukulturellen Fragen noch bis Ende 2016 beraten.

 

Auf der Suche nach neuen Herausforderungen

Neben den Aktivitäten im Themenfeld Pädagogische Architektur suchte die Stiftung in ihren Pionierjahren nach weiteren urbanen Herausforderungen. Das Projekt Stadträume am Rhein (2005-2009) untersuchte die Potenziale und Qualitäten von Landschaften entlang des Rheinabschnitts zwischen Bad Honnef und Leverkusen. Das Stipendiatenprojekt in Kooperation mit der Regionale 2010 ist in der Veröffentlichung Stromlagen dokumentiert.

Und das Engagement ging weiter: Wo wird die Montag Stiftung Urbane Räume als kleine, schnell entschlossene und gemeinnützige Institution wirklich gebraucht? Wo liegen die Bedarfe, die weder von den öffentlichen Händen noch von der Wirtschaft beantwortet werden?

Im Programmbereich Urbane Dialoge entwickelte die Stiftung verschiedene Formate zur Vernetzung und für den Austausch sowie für das gemeinsame Nachdenken und Diskutieren mit Expertinnen und Menschen vor Ort. So z. B. in der Veranstaltungsreihe Neue Freundschaften – Baukultur in Bonn (2007-2010) und dem Workshop Selbstverantwortungsräume (2010). Das Wohnmobil (2010), ein Format für schnelles und zeitnahes Einbringen von Experten-Know-how vor Ort, suchte Lösungsansätze für Herausforderungen im Stadtteil. Gleichzeitig arbeitete die Stiftung weiter an Konzepten für eine Kultur des Veränderns: Im Projekt Open Source Planning (2009) diskutierte sie in einer Workshopreihe, ob und wie erfolgreiche Prinzipien aus der Softwareentwicklung in die Stadtentwicklung übertragen werden können: Entwicklungsprozesse für alle und von allen, Weiterdenken und Verbreiten von Wissen und Lösungen unter transparenten Bedingungen, die Creative Commons. Diese und weitere Gedanken waren Teil des Projektes Beyond Institutions (2011). Das Sonderheft des Magazins polis beschäftigt sich mit der Wirkung und den Veränderungspotenzialen von Institutionen: Strukturen geben Halt, aber wie werden sie flexibel für schnellen Wandel und Lösungen in der Stadt? Methoden und Praktiken des Open Source, der Allmende und der sozialraumbezogenen Ökonomie können ein Demokratisieren von Stadtentwicklung inspirieren.

 

Neue Nachbarschaft - Wissens- und Beratungsformate für Immovielienprojekte

Die Montag Stiftung Urbane Räume unterstützte ab 2013 mit ihren Aktivitäten Initiativen, die gemeinschaftlich Immobilien für sich und die Nachbarschaft entwickeln und dabei auch das Gemeinwohl im Quartier in den Blick nehmen: Immobilien von vielen für viele - Immovielien. Ziel des Programms Neue Nachbarschaft (2013-2017) war, es diesen Initiativen leichter zu machen, damit es mehr werden! Die Stiftung bot Antworten auf die drängenden Fragen der Initiativen und baute Hürden ab, vor denen die Engagierten immer wieder stehen.

Mit der Ausschreibung eines Preises (2013), halbjährlich stattfindenden Werkstätten (insgesamt 7, 2014-2017), dem halbjährlich erscheinenden Infobrief (insg. 8 Ausgaben, 2014-2017) und der Internetseite www.neue-nachbarschaft.de (2014-2017) bot sie neben aktuellen Informationen und Tipps eine Sammlung erfolgreicher Immovielienprojekte und Arbeitshilfen Know-how für die praktische Arbeit vor Ort an. Sie vernetzte in den bundesweiten und regionalen Werkstätten Engagierte und Spezialistinnen und kümmerte sich darum, dass nachbarschaftlich Engangierte als Partner einer chancengerechten Stadtentwicklung ernst genommen und Wert geschätzt werden.

Die Arbeitshilfen und Infobriefe sind weiterhin auf der Internetseite des Netzwerks Immovielien zu finden. Auch die Immovieliensammlung wird durch das Netzwerk Immovielien weitergeführt.

 

Urbane Dialoge - Bessere Rahmenbedingungen für eine gemeinwohlorientierte Stadt- und Immobilienentwicklung

In ihrem Programmbereich Urbane Dialoge diskutierte die Stiftung in den Jahren 2016 bis 2018 mit einem eigenen Handlungsschwerpunkt ihre Themen, Haltungen und Erfahrungen aktiv und offensiv mit der Öffentlichkeit. Sie führte Dialoge, knüpfte Netzwerke, organisierte Veranstaltungen, entwickelte Kampagnen und nutzte ihre Rolle als Mitglied in Gremien und Verbänden.

Ganz oben auf der Dialogagenda stand die Erörterung der Frage, welche Rahmenbedingungen einer gemeinwohlorientierten Stadt- und Immobilienentwicklung im Wege stehen. Warum wird das Erbbaurecht nicht häufiger für gemeinwohlorientierte Stadtentwicklungsprojekte genutzt? Warum haben engagierte lokale Initiativen es in der Regel schwerer, Grundstücke von Kommunen zu erwerben als Kapital anlegende Investoren? Wie kann erreicht werden, dass die unterschiedlichen Partner produktiv zusammenarbeiten?

Dafür hat sie am 3. und 4. November 2016 in Leipzig den Konvent „Immobilien für viele – Gemeinwohl gemeinsam gestalten“ durchgeführt und mit 150 Fachexpertinnen aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Wohlfahrt, Wissenschaft und der öffentlichen Hand Forderungen zu den Themen Boden, Finanzierung, Förderstrukturen, Recht und Zusammenarbeit erarbeitet.

Im Februar 2017 hat die Montag Stiftung Urbane Räume gemeinsam mit rund 30 Partnern und Mitdenkerinnen in Bonn das Netzwerk Immovielien gegründet und für ein Jahr die Koordinierung übernommen. Im Sommer 2018 wurde der Verein Netzwerk Immovielien e. V. gegründet, in dem die Stiftung weiterhin Mitglied ist. Auch die Koordinierungsstelle des Netzwerks liegt seit August 2018 beim Netzwerk.

 

Chancengerechte Quartiersentwicklung in der Praxis - Von der KALKschmiede* zum Initialkapital

Schon vor der theoretischen Auseinandersetzung mit den Rahmenbedingungen zeitgemäßer Stadtentwicklungsprozesse und -strukturen entwickelte die Stiftung ein weiteres Praxisprojekt. Die KALKschmiede* (2009-2013) hatte das Ziel, den Kölner Stadtteil Kalk Nord auf seinem Weg zu einem einfachen, aber guten Lebensmittelpunkt und Wohnstandort für seine Bewohnerinnen zu begleiten: Menschen mitnehmen, Bedarfe definieren, Partner finden, Strukturen bearbeiten, sich für Nachhaltigkeit einsetzen. Auch in diesem Projekt bearbeitete die Stiftung beharrlich „die Lehmschicht von Verwaltungen und Politik“, beteiligte und aktivierte Bewohnerinnen und Bewohner des Viertels für das Viertel und sammelte damit wertvolle Erfahrungen für dieses und spätere Projekte.

Die Aktivierung von Nachbarschaften und die Wirkung von individuellem Engagement waren schließlich der Ausgangspunkt für den Workshop Raumunternehmen (2013). Wie können gute Ideen von Menschen für ihre Nachbarschaft aufgegriffen und umgesetzt werden? Und vor allem: Wie kann daraus eine selbstorganisierte und unabhängige Quartiersentwicklung entstehen?

Die Beschäftigung mit diesen Fragen und die Erfahrungen vor allem aus der KALKschmiede* führten die Stiftung unmittelbar zur Fokussierung auf das Thema gemeinwohlorienitierte Immobilien- und Stadtentwicklung. Die drei Programmbereiche InitialkapitalNeue Nachbarschaft und Urbane Dialoge bildeten ab 2013 bis Ende 2017 die Handlungsbereiche der Stiftung.

 

Stadtteilentwicklung nach dem Initialkapital-Prinzip

Seit 2018 ist der Schwerpunkt der Montag Stiftung Urbane Räume die gemeinschaftliche Stadtteilentwicklung nach dem Initialkapital-Prinzip – denn obwohl mit temporären Projekten wie der „KALKschmiede“ wertvolle Impulse gesetzt werden konnten, haben wir eines leider nicht erreicht: einen Veränderungsprozess zu bewirken, der die Menschen vor Ort dauerhaft in die Lage versetzt, ihre Chancen zu verwirklichen. Aus dieser Erfahrung wurde im Rahmen fachlicher Diskurse und durch selbstkritische Reflexion das Initialkapital-Prinzip geboren. Der Ansatz: Verstetigung der Gemeinwohlarbeit braucht einen Ort der Identifikation, als Plattform und Motor, der das Engagement der Akteure langfristig sichert. Statt die Stiftungsmittel ausschließlich für Projektarbeit auszugeben, sollten sie nun investiert werden, um eine Immobilie zu entwickeln, die dauerhaft Überschüsse für einen Stadtteil bereitstellt.

Inzwischen hat die Montag Stiftung Urbane Räume sechs Projekte nach dem Initialkapital-Prinzip entwickelt: die Samtweberei in Krefeld, das FreiFeld in Halle an der Saale, den BOB CAMPUS in Wuppertal, die KoFabrik in Bochum, das HONSWERK in Remscheid und die Wiesenwerke in Wuppertal. Sie alle geben Einblicke in unterschiedliche Phasen der gemeinschaftlichen Stadtteilentwicklung.