Mönchengladbach

Landschaffen [2018]

„Landschaffen“ ist ein teilhabeorientiertes Kunstprojekt der Montag Stiftung Kunst und Gesellschaft. Es ist ein Folgeprojekt und eine Weiterentwicklung der „Mitmachstadt Düren“ 2016.

Über acht Wochen haben wir rund um den Park der LVR-Klinik für Psychiatrie in Mönchengladbach Menschen eingeladen, gemeinsam mit Künstlerinnen und Künstlern Landschaft aus Ton zu gestalten. Einwohnerinnen und Einwohner aus Mönchengladbach, Patientinnen und Patienten, Mitarbeitende, Besucherinnen und Besucher der Klinik – alle waren willkommen.

Jede Woche hat ein Künstler, eine Künstlerin oder eine Künstlergruppe Einblicke in ihren Umgang mit dem Material und das gemeinsame Gestalten mit Ton gegeben. Hierbei stand weniger die Absicht des künstlerischen Individuums im Vordergrund, sondern das Zusammenarbeiten in der Gruppe. Im öffentlich zugänglichen Klinikpark entstand so ein Raum für Begegnung, Austausch und Kooperation. Individuelles und gemeinschaftliches Gestalten von kleinen Objekten und großen Skulpturen konnte sich hier frei entfalten.

Das älteste Material der Welt

Als Werkstoff diente Ton, ein natürliches Material, das direkt aus der „Erde“ kommt. Seit Jahrtausenden erfährt dieser Werkstoff über kulturelle Techniken einen mannigfaltigen Einsatz sowohl in der Industrie, im Handwerk als auch im Künstlerischen.

Ton in seiner Ursprünglichkeit rührt das ur-eigene, dem Menschen innewohnende Potenzial an: den selbstverständlichen Umgang, aus einem Erd-Wasser-Gemisch (Matsch, Lehm) etwas zu gestalten, zu kreieren.

Das Material diente im offenen Gelände des Klinikparks dem Experimentieren: Die Ausweitung in die Parklandschaft, das Kombinieren mit vorgefundenem Material wie Baumwurzeln, Blattwerk, Steinen sowie mitgebrachten Materialien wie Pigmenten, Farben, Stoffen, Draht und Schnur erweiterte das gestalterische Handlungsfeld.

Ton ist als Material bereits im ursprünglichen Konzept der Mitmachstadt vorgesehen, aus dem das Projekt „Landschaffen“ hervorgegangen ist.

Ⓒ Eike Walkenhorst

In der Umsetzung waren wir um eine größtmögliche Offenheit und prozessuale Arbeitsweise bemüht, um Raum für Begegnung und gemeinsames Gestalten zu gewährleisten. Der von allen Seiten öffentlich zugängliche Klinikpark lud mit seinem alten Baumbestand nicht nur zum Verweilen ein, das künstlerische Gestalten und gemeinsame Arbeiten unter freiem Himmel bot eine einzigartige Atmosphäre. Das große Interesse an Kunst, die Offenheit und das Vertrauen der Klinikleitung wie auch aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der LVR-Klinik Mönchengladbach ermöglichten ein freies, experimentelles Arbeiten in der Parklandschaft. Mit der Wahl des Werkstoffs Ton konnten alle Teilnehmenden eine Offenheit im Material erleben, die sich in ihrer Körperlichkeit und Sinnlichkeit unmittelbar erschloss.

Booklet
Programm "Landschaffen" 2018Download Booklet

Die Kunst, in Gesellschaft zu sein

Die große Gemeinschaftsarbeit aller Beteiligten: Wir haben eine soziale Plastik gebaut! Damit wandelten wir in Mönchengladbach auf den Spuren von Joseph Beuys. Der Begriff Kunst wird im Projekt auf die Gestaltung gemeinschaftlicher, gesellschaftlicher Entwicklungen und sozialer Beziehungen bezogen. Wir haben es mit einem „sozialen Organismus“ zu tun, bei dem es nicht ausschließlich um formal ästhetische Ausprägungen ging. Für uns als Montag Stiftung Kunst und Gesellschaft stellt sich damit auch die Frage, was es im 21. Jahrhundert bedeutet, einer traditionsreichen künstlerischen Haltung zu folgen.

Mitmachstadt

"Landschaffen" basiert auf dem Konzept der "Mitmachstadt", die 2016 in Düren stattfand.

Zur Mitmachstadt

„Mach mit!“ hieß es von Juni bis September 2016 auf dem Außengelände des werkHAUS5 der LVR-Klinik Düren. Dort gab es nicht nur eine sehr große Menge keramischen Ton zu entdecken, sondern auch die Möglichkeit, künstlerisch damit zu arbeiten. Aus sieben Tonnen Ton und mit Ideen, Träumen und Fantasie entstand eine große Städtelandschaft, die sich täglich veränderte und wuchs.

Alle Besucher und Besucherinnen des LVR-Klinikums, Bewohnerinnen und Bewohner Dürens und aus Nachbarstädten waren eingeladen, mitzubauen. An zwei Nachmittagen in der Woche und am Wochenende stand die Mitmachstadt Düren allen Interessierten zur Mitgestaltung offen.

Das Konzept

Die „Mitmachstadt“ (auch „Bauvorhaben Mitmachstadt“) ist ein künstlerisches Projekt, das von 1979 bis 1981 in verschiedenen westdeutschen Städten stattgefunden hat. Entwickelt hat es die Gruppe Leut’Werk: Eckhart Haisch, Konstanze Schmidbauer (geb. Hedrich), Ingolf Kirsch und Gabriele Ramdohr, damals Studierende im „Modellversuch Künstlerweiterbildung“ in Berlin, dem Vorläufer des heutigen Instituts für Kunst im Kontext an der Universität der Künste Berlin. Die Urheberrechte liegen bei den Kunstschaffenden.

Das Konzept umfasst den partizipativen Bau einer Modellstadt aus sechs bis neun Tonnen Ton, inklusive Verhandlung kontext- und zeitspezifischer künstlerischer und städtebaulicher Fragen mit dem Publikum. Die künstlerische Versuchsanordnung ist in Form eines schriftlichen Konzepts aus dem Jahr 1979 dokumentiert. Wiederaufführungen bedürfen einer kontextreflexiven Aktualisierung, die bis dato von der Universität der Künste Berlin vorgenommen wurden.

Unser Konzept ist eine Weiterentwicklung des ursprünglichen Konzeptes, das mit den Urheberinnen und Urhebern abgestimmt ist.

Versuchsanordnung: „Mitmachstadt Düren“

Die Montag Stiftung Kunst und Gesellschaft hat die „Mitmachstadt“ in Kooperation mit dem Förderverein Psychiatriegeschichtliches Dokumentationszentrum e. V. im Außenhofbereich des Haus 5 der LVR-Klinik Düren von Juni bis September 2016 neu aufgeführt.

Landschaffen

Das Nachfolgeprojekt der "Mitmachstadt" war 2018 "Landschaffen" in Mönchengladbach-Rheydt.

Zu Landschaffen

Die Wiederaufführung – ein Resümee

Entstanden ist eine ca. 35 Quadratmeter große Fläche mit einer fiktiven Landschaft, die alles enthielt, was die Welt ausmacht.

Das Interesse, die Neugier und die positive Resonanz von vielen, vorwiegend männlichen Patienten an dem Projekt war groß. Es gab einige, die kontinuierlich während der Projektlaufzeit mitgearbeitet haben sowie einige, die auch nach ihrer Entlassung weiterhin gekommen sind, um weiterzuarbeiten.

Die Auseinandersetzung mit den Räumlichkeiten der Psychiatrie sowie der Stadt Düren wurde im Laufe des Projektes zugunsten einer „fiktiven“ Landschaftsgestaltung aufgegeben. Dabei hat der entstandene Freiraum in der Beschäftigung mit sich selbst und den anderen sowie die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Material bei einigen Möglichkeitsräume geschaffen, die längerfristig positive Auswirkungen auf ihre Biografie hatten und große Entwicklungspotenziale in dem Projektaufbau aufzeigten. Der Einbezug von Klinikpersonal sowie von Bürgerinnen und Bürgern aus Düren ist dabei nur ansatzweise gelungen – die negative Konnotation des Ortes stellte für viele eine zu große Hemmschwelle dar.

Das Konzept der Mitmachstadt wurde von der Montag Stiftung Kunst und Gesellschaft weiterentwickelt zu „Landschaffen“ und 2018 erneut auf einem Gelände eines Krankenhauses für Psychiatrie und Psychotherapie in Mönchengladbach-Rheydt realisiert.

Das Ziel des Projektes ist mit dem zentralen Anliegen des Stifters Carl Richard Montag verbunden, den Gemeinschaftssinn in unserer Gesellschaft zu fördern: „Landschaffen“ versucht, Imagination und eigeninitiatives Handeln für alle Teilnehmenden im Freiraum der Kunst zu ermöglichen. Die entstandenen Objekte und Skulpturen dienen als Symbol für das Zusammenwachsen einer Gruppe von Teilnehmenden. Kunst hat hier einen Freiraum auf der Basis des Miteinanders gegründet, der in Teilhabe, Teilgabe und Teilsein mündete. Was wir alle im Projekt erlebt haben, ist die Kunst, in Gesellschaft zu sein!

Wir danken den Künstlerinnen und Künstlern Klaus Kleine, Marie Heiderich, Jellyspoor, Frank Bölter, Christina Doll, Karin Hochstatter, Jan Glisman und Markus Karstieß für ihre Projektbeiträge. Wir danken dem Kooperationspartner LVR-Klinik Mönchengladbach sowie Waldhaus 12 e.V. und dem Verein für die Rehabilitation psychisch Kranker e.V. (RehaVerein) Mönchengladbach für ihre wertvolle Unterstützung des Projektes.